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Krank zum Personalgespräch?

23. November 2016

Ist ein Arbeitnehmer trotz ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung („Krankschreibung“) verpflichtet, beim Arbeitgeber auf dessen Anweisung zu einem Personalgespräch zu erscheinen?

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 2. November 2016 (10 AZR 596/15) festgelegt, dass der Arbeitnehmer hierzu verpflichtet sein kann, wenn dies ausnahmsweise aus betrieblichen Gründen unverzichtbar und der Arbeitnehmer dazu gesundheitlich in der Lage ist.

Diese Voraussetzungen wurden im zu entscheidenden Fall vom Arbeitgeber aber nicht dargetan. Das BAG kam deshalb zu dem Leitsatz:

„Ein durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhinderter Arbeitnehmer ist regelmäßig nicht verpflichtet, auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb zu erscheinen, um dort an einem Gespräch zur Klärung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit teilzunehmen.“

Anmerkung: „Krankschreibung“ heißt nicht „Arbeitsverbot“

Viele Arbeitgeber, Arbeitnehmer und auch Ärzte unterliegen dem Irrglauben, dass die gerne als Krankschreibung bezeichnete ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) ein Arbeitsverbot darstellen würde. Das ist nicht der Fall. Es ist auch nicht möglich, sich vom Arzt „gesundschreiben“ zu lassen.

 Die AU-Bescheinigung enthält nur eine Prognose über die voraussichtliche Dauer der durch Krankheit verursachten Arbeitsunfähigkeit. Wenn der Arbeitnehmer wieder voll arbeitsfähig ist, darf und muss er auch wieder zur Arbeit erscheinen, ohne vorher erneut den Arzt zu konsultieren. Eine Gesundschreibung gibt es nicht.

 Allerdings muss auch der Arbeitgeber davon überzeugt sein, dass sein Arbeitnehmer wieder fit ist. Wer einen arbeitsunfähigen Arbeitnehmer einsetzt, kann damit gegen seine Fürsorgepflicht verstoßen und sich sogar schadensersatzpflichtig machen, falls die Krankheit fortbesteht und deshalb ein Unfall passiert. Deshalb muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wieder nach Hause schicken, wenn infolge der Erkrankung eine Gefährdung für den Arbeitnehmer selbst oder andere Mitarbeiter besteht. Dasselbe gilt bei bestehender oder zumindest mutmaßlicher Ansteckungsgefahr.

Arbeitgeber, die an dem Umlageverfahren U1 nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) teilnehmen, müssen die Krankversicherung über die „vorzeitige Genesung“ des betreffenden Mitarbeiters unterrichten. Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer nach Ende der Entgeltfortzahlung Krankengeld bezieht und seine Tätigkeit nach Ende der Erkrankung wieder aufnimmt.

 Die vorstehenden Ausführungen gelten natürlich für Arbeitgeberinnen und Arbeitnehmerinnen gleichermaßen.